Sonntag, 24. Mai 2009

Bless Bless Ìsland

Liebe Leute,

unter mir ist es weiß. Schneeweiß so weit das Auge sieht. Es ist jetzt 07.43 Uhr, gerade sind wir durch die Wolkendecke gedrungen und ich habe mich mit einem letzten Blick von dem Land, der Insel verabschiedet, die knapp 10 Monate mein vorübergehendes zu Hause war. So sehr ich mich auch auf alles und auf alle Menschen zu Hause in þyskalandi freue, so ist im Moment das schwere Gefühl und die Wehmut des Abschied-Nehmens sehr präsent. Die letzten zehn Monate waren eine besondere Zeit und diese wird mich auch für immer ein wenig mit dem Land am Polarkreis verbinden. Es war nicht immer leicht, aber das war auch nicht zu erwarten wenn es einen zum ersten mal in seinem Leben für längere Zeit in ein fremdes Land verschlägt. Und schon gar nicht bei einem Land das so verschroben – und dessen Einwohnerschaft ebenfalls auf den ersten Blick nicht allzu durchsichtig ist.
Die, die meinen Blog ein wenig verfolgt haben wissen mit welchen Problemen, Rückschlägen, Erfolgen, Verabschiedungen ich zu kämpfen hatte und deswegen möchte ich darüber jetzt auch gar nicht viele Worte verlieren. Dennoch möchte ich bei ein paar Leuten dafür danken, ohne die meine Zeit in diesem Land ein wenig schattiger gewesen wäre. Aufzählungen sind eine gefährliche Sache da man ja meistens jemanden vergisst – die Menschen die mich kennen wissen jedoch das ich immer etwas vergesse und nehmen es mir deswegen hoffentlich nicht allzu krumm.

An Kasi:

Wie großartig und richtig alles ist versteht man vielleicht erst so richtig, wenn man es von einen auf den anderen Moment nicht mehr hat. Die Zeit mit Dir hier war wunderschön und in der Zeit in der Du nicht hier warst, warst du dennoch bei mir. Ich freue mich so auf die Zeit die kommt....

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An Mama & Papa:

Ja ja, mit mir ist es nicht immer leicht. Da ist der Sohn schon mal am Ende der Welt, klettert über gefährliche Gletscherspalten, fährt an Abgründen ohne Leitplanken entlang und meldet sich dann auch nur so circa alle 1,5 Wochen. Danke für euer Verständnis und die Unterstützung die ganze Zeit über. Die letzte Woche war wirklich sehr schön und ein toller Abschluss für die Zeit in Island. Aber das nächste mal bitte mit funktionierender Kreditkarte.....

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An Pascal, Jan-Ralf, Pierre (a.k.a. Pierre Lumiere / Dr. Love) & Edouard

In zehn Monaten lernt man eine Menge Leute kennen, aber wenn man Glück hat vielleicht eins, zwei Menschen, die man seine Freunde nennen darf. Ihr seid wirklich Freunde geworden. Es war eine fantastische Zeit mit euch und ich bin mir sicher das diese noch nicht zu Ende ist....

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An Jana, Fredrik, John, Majel:

Vielen Dank für eine der lautesten, anstrengensten aber auch schönsten Wochen hier in Island. Es war wirklich schön mal ein bisschen länger Zeit mit euch zu verbringen. Ein besonderes Lob gebührt Euch zudem noch dafür, dass Ihr es tatsächlich geschafft habt unserer lahmen Studenten-WG mal ein wenig leben einzuhauchen. Und John danke ich noch einmal extra für den tollen Brief. Wir gehen bald angeln!

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An Steffen:

Mein erster Island-Besucher zu einer Zeit in der ich Besuch auch wirklich dringend nötig hatte. Danke für die Worte, dein Ohr und für die lustigen Momente. Und mein Gott: Mit nem kaputten Kreuzband bei 5 Metern Schnee auf den Esja...das muss dir erstmal einer nachmachen.

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An Äxl:

Mein zuverlässigster Ansprechpartner in Sachen Bauchmuskelkater vom Lachen. Es war mir wie immer ein Fest und ich danke dir noch mal für den verfassten Kommentar für diese Seite. Eigentlich ein Wahnsinn das wir das wirklich auf der Schotterpiste überlebt haben, oder?

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An Timmi:

Ach wenn wir uns doch mal irgendwie öfters sehen könnten. Es war wirklich toll endlich mal 7 ..... äh ..... 9 Tage mit einem sehr guten Freund verbringen zu können! Pass auf den alten Mann auf....

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An Nora & Fritz-Jens:

Vor eurem Besuch habe ich wirklich nicht so viel Interessantes uns Spannendes an Reykjavík entdecken können. Ihr habt mir gezeigt das man manchmal auch nur die Augen ein wenig weiter aufmachen muss. Nora, dein Fisch in Senfsauce war ein Gedicht! Und Jens, dein Kunstwerk lebt noch und fängt jetzt in der Sonne erst so richtig an zu strahlen. Freu ma aufs Tischtennis im Garten.

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An Oma:

Ich komme nach Hause und Du bist nicht mehr da – das war so nicht abgemacht. Darüber wird noch zu reden sein. Irgendwann. Ich vermisse Dich!


Natürlich danke ich darüber hinaus noch allen anderen Menschen die ab und an mal an mich gedacht haben und mich vielleicht ein wenig vermisst haben. Ich habe euch auch sehr vermisst und freue mich auf das Wiedersehen. Ansonsten habe ich darüber nachgedacht ob ich diesen Blog vielleicht auch aus Berlin aus weiterführe, habe mich aber schlussendlich dagegen entschieden. Dieser Blog war mein Island-Buch – und das wird jetzt zugeschlagen. Fürs erste.

Takk fyrir óg bless bless

Stefan

Donnerstag, 23. April 2009

JBK

Liebe Leute,

heute ist offizieller Sommeranfang in Island, draussen regnet es Katzen und Hunde, die Menschen sind in dicke Winterjacken eingewickelt und nur ein paar unerschrockende Isländerinnen haben schon ihre Flip-Flops und die kurzen Rücke rausgeholt. Ich sitze grad in meinem Lieblingscafé auf der Hauptstraße in Reykjavík. Hier bin ich jedoch heute nur durch Zufall, da der für heute geplante Friseur-Besuch auf Grund des Sommeranfangs kurzfristig ausfallen musste. Sommeranfang ist hier nämlich anscheinend Feiertag. Ich möchte die nun gewonnene Haar-schneide-freie Zeit für einen kleinen Beitrag nutzen, der ausnahmsweise einmal nichts, aber auch gar nichts mit Island zu tun hat. Es geht um Johannes B. Kerner.

Wie vielleicht viele von euch in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen, oder im Fernsehen gehört haben wechselt Johannes B. Kerner (in Kurzform: JBK) mit Beginn des Jahres 2010 vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dem ZDF, zum Privatsender Sat. 1. Über die journalistischen Qualitäten der Allzweckwaffe des ZDF lässt sich meiner Meinung herrvorragend streiten. Die all-abendliche Talkshow "Johannes B. Kerner" hat es nach über 10 Jahren immer noch nicht geschafft, ihr Format eindeutig zu positionieren. Es wird gekocht, mit Dieter Bohlen alle zwei Wochen über Verona Feldbusch und "Deutschland sucht den Superstar" gequatscht und immer wieder dürfen sich auch deutsche Politiker in der Abendshow präsentieren. Investigativ nachgefragt wird dabei nicht. Statt über konkrete, akute politische Themen dürfen die Politiker fröhlich über ihren letzten Segelurlaub referieren und der Herr Kerner passt immer schön darauf auf, nicht doch "allzu mutig herrvor zu preschen". Die Sendung dümpelt vor sich hin und sie erfüllt allenfalls den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Unterhaltung, nicht jedoch der Bildung und Aufklärung. Als Journalist kann man den Weggang des Johannes sicherlich verschmerzen...als Symphat des Senders für den breitesten Teil der Bevölkerung vielleicht nicht so einfach. Eine Verlängerung des Vertrages zwischen dem ZDF und JBK kam schlussendlich desshalb nicht zu stande, da sich der Herr Kerner seiner Stellung als Aushängeschild des Zweiten Deutschen Fernsehens nur zu gut bewusst war. Enstprechend seiner Rolle forderte er mehr Einfluss. Einfluss bei den Themen, Einfluss bei der Auswahl der Gäste. Das ZDF sollte dabei nur noch die Plattform der von Kerner mitproduzierten Show sein. Auch auf Grund immer wieder aufkommender Kritik an JBK´s Funktionen als Werbemann entschied man sich beim ZDF diesen Weg nicht weiter zu gehen - und Johannes entschied sich nach über 10 Jahren wieder zu Sat. 1 zurück zu gehen.

Nun, ein Wechsel eines Moderators von Sender zu Sender passiert öftes - zugegeben meisetens anders herum - aber dennoch ist die Mitteilung darüber den Medien meistens nur eine Randnotiz wert. Nicht jedoch bei JBK. Und hier beginnt die eigentlich interessante Geschichte. Die Online-Ausgabe des "Stern" berichtet seit 3 Tagen immer wieder in Form einer großen Nachricht vom Wechsel des Moderators zum Privatsender. In den Überschriften der Artikel wird von "erloschener Liebe", vom "Dampfplauderer" und von einem "Befreiungsschlag" des ZDF gesprochen. In jedem dieser Artikel kommt Herr Kerner ausgesprochen schlecht weg und über den Journalisten JBK wird ein um das andere mal ein vernichtendes Urteil gefällt. Dem Sender ZDF wird zu seiner Entscheidung gratuliert den Vertrag mit dem "Plauderer" nicht verlängert zu haben und Sat. 1 wird schon mal vorsorglich bemitleidet, sich diesen Egomanen ins Haus geholt zu haben. Nun, was steckt dahinter? Warum dieses große Interesse des "Stern´s" an dem Wechsel und an Kerners journalistische Unzulänglichkeiten? Meiner Meinung nach dient das Thema vor allem als Aufhänger zum Kampf des "Sterns" gegen die zwei anderen großen Magazine Deutschlands, Spiegel und Focus. Zuerst muss man wissen das Kerners Sendung zum Teil vom Nachrichtenmagazin "Focus" als Sponsor präsentiert wurde und der Aufnahmeleiter, laut "Stern", in einer verwandtschaftlichen Beziehung zur "Bild"-Redaktion stand. Sowohl "Focus" als auch die "Bild" werden im Allgemeinen als CDU/CSU-Nahe eingestuft. So bezog beispielsweise das Nachrichtenmagazin "Focus" im Wahlkampf 2005 eindeutig Position zu einer CDU/CSU/FDP-Koalition. Der "Stern" prangert nun an, dass sich durch diese Verflechtungen Kerner, die "Bild", der "Focus" und die genannten Parteien gegen eine öffentliche Diskussion emunisiert haben könnten. Gerade wieder ist Kerner in einer "Bild"-Werbekampagne zu sehen....
Produziert wird die Sendung von "Spiegel-TV" einem Ableger des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Der "Stern" wirft nun unter anderem dem "Spiegel" vor, das sich das sonst sehr kritische Magazin bei der Meldung über Kerners Sender-Wechsel sowohl im positiven, als auch im negativen zurückgehalten hat, da der Spiegel als Geschäftspartner jedwede negative Publicity vermeiden möchte. Spiegel-TV wird zudem auch bei Sat 1. Kerners neue Sendung produzieren.
Alles in allem viel Wind des "Sterns" um den Wechsel eines mittelmäßig journalistisch talentierten Moderators zu einem Privatsender. Viele der aufgebrachten Fakten des "Sterns" lassen aufhorchen, bestätigen dem skeptischen Medienkonsumenten aber nur mal wieder die Abhängigkeiten zwischen Industrie, Staat, Politik und Medien. Der "Stern" agiert hierbei als großer Aufklärer und als Wächter des freien- und investigativen Journalismus - und warum? Welche Sendung moderiert nochmal Günther Jauch jeden Mittwoch Abend auf RTL ....? Achso ja!

Grüße aus dem Theaterstadel....

Stefan

Montag, 6. April 2009

Besuche

Liebe Leute,

ich bin’s, kennt ihr mich noch? ....fast drei Monate sind vergangen seit ich zum letzten Mal diese Seite mit Informationen über mein Leben hier gefüttert habe. Viel Zeit ist ins kleine vereiste Land gegangen, viele Geschichten sind passiert, viele dunkle Tage wurden überstanden, liebe Menschen kamen mich Besuchen und nun - nun ist es schon fast Mitte April und mein letzter Monat hier auf Island bricht an. Eine Erklärung dafür zu finden, dass diese Seite in letzter Zeit ein wenig Stiefmütterlich behandelt wurde, ist nicht einfach. Versuchen will ich es dennoch. Gespürt habe ich es bereits als ich am 06.01.09 wieder den kalten, isländischen Boden betrat. Das Gefühl der Fremde war vergangen. Sicher, es gab und gibt immer noch soviel wunderbares, unbekanntes und faszinierendes zu entdecken, aber das Gefühl der Unsicherheit und der Aufregung war verschwunden. Wir war immer bewusst das dieser Ort nur ein vorübergehendes Zuhause für mich sein wird, aber dennoch musste ich es bis zu einem gewissen Punkt zu meinem Zuhause für mich werden lassen, um die Zeit hier alleine zu überstehen und mich wohlzufühlen. Nun ja - und es wurde wirklich zu meinem vorübergehenden Zuhause. Als Konsequenz daraus tritt dann auch irgendwie so was wie "Alltag" ein....man geht zur Uni, schreibt Hausarbeiten, geht Einkaufen, überweist die Miete, saugt Staub, trifft sich mit Freunden...und dieser Alltag ist schwierig zu beschreiben, da er eben nur im ganzen Sinn macht und kleine Geschichten daraus ohne dem Zusammenhang nicht wirklich einfach zu berichten sind.
Dennoch möchte ich meiner publizistischen Pflicht als inoffizieller deutscher Korrespondent im isländischen Ausland gerecht werden und - auch für mich persönlich - die letzten 2 Monate nicht im schwarzen Loch verschwinden lassen. Denn es gibt genug Vorkommnisse, die definitiv einen Eintrag in dieser Selbstdarsteller-Plattform verdienen.
Der letzte Eintrag in diesem Blog ist fauler weise dann ja auch nicht von mir, sondern vom Herrn Müller. Danke noch mal dafür. Da ich finde, dass der Herr Müller seinen Besuch auch ausreichend und übersichtlich geschildert hat, steige ich chronologisch also danach ein. Mitte Februar (der Monat, welcher hierzulande nicht gerade bekannt ist für seine eisfreien Straßen) machte ich mich zusammen mit 9 anderen Expeditionsteilnehmern auf den Weg in die Westfjörde Islands. Die Westfjörde liegen, Überraschung, ganz im Nord-Westen von Island und ist das am dünnsten besiedelte Gebiet ganz Islands. Im Mittelalter, zur Zeit der Dänischen Verwaltung, versteckten sich in diesem Gebiet Oppositionelle und Freiheitskämpfer vor der dänischen Verfolgung.

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Neben der äußerst spärlichen Besiedlung ist die besondere Naturschönheit kennzeichnendes Merkmal des Landstriches. Zahllose Buchten, gesäumt von riesigen, Gletscher-Geformten Bergen, einsame Dörfer und die überwältigende Weite der Landschaft beeindrucken das Auge des reisenden Betrachters. Unsere Reisegruppe bestand, Erasmus-Konform, aus einer internationalen Auswahl....mit an Board waren 4 Deutsche (inklusiver mir), zwei Französinnen, ein Italiener, ein Engländer, eine Kanadierin und eine Schweizerin. Unser Ziel war der kleine Ort Bolungarvík, der mit seinen 904 Einwohnern schon als Metropole der Westfjörde bezeichnet werden kann.
Das in Island ja öfter der Weg das Ziel ist (5 Mark ins Phrasenschwein) stellte sich einmal mehr wieder deutlich heraus. Unsere Fahrt dauerte insgesamt 12 Stunden für circa 400Km. Damit uns diese nicht allzu langweilig werden, beschloss die Natur uns die Fahrt ein wenig angenehmer zu gestalten und zauberte die beeindruckensten Nordlichter an den Nachthimmel, die ich je gesehen habe. Entdeckt wurden sie als schwaches grünes Flimmern am Horizont, dass alsbald immer stärker wurde. Wir stoppten unseren Wagen, schalteten das Licht aus und die uns umgebende Dunkelheit wurde von einem grünen Leuchten erhellt, dass den ganzen Himmel bedeckte

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Davon noch immer schwer beeindruckt kamen wir mitten in der Nacht in unserer Blockhütte an. Diese gehört der Mutter von Tom, dem Briten, und so konnten wir vollkommen Kostenfrei drei wunderschöne Tage in der Wildnis verbringen. Trotz des nicht allzu schmalen Grundrisses wurde es durch unsere 10-Mann/Frau fassende Reisegruppe sehr gemütlich und sowohl Klaustrophobiker als auch Soziophobiker wären bei dieser Raumauslastung voll auf ihre Kosten gekommen. Geschlafen wurde wahlweise auf der Couch, im Sessel, auf dem Boden, etc. Die Abende wurden bei Wein, Gesprächen, Gesang und Gitarrenspiel verbracht....zum Glück wurde auf Gesellschaftsspiele verzichtet, denn das wäre dann doch zu viel des Guten Klischees gewesen. Alles in allem war es ein wunderbares Wochenende, dass mir die norwegische Seite Islands eindrucksvoll näher gebracht hat.

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Ende Februar kam mich dann mein Freund Timm besuchen. Sieben Tage wollte er hier mit mir verbringen – am Ende waren es zehn. Aufklärung später. Da Timmi selber aus einem der schönsten Landstriche der Welt - dem Spreewald – kommt, war er natürlich nicht unbedingt darauf erpicht, sich hier mit den ländlichen Naturschönheiten umspülen zu lassen. Vielmehr wollte er mit mir ein urbanes Männerabenteuer erleben und die Kneipen- und Clubszene Reykjaviks unsicher machen. Inspiriert von einigen Berichten im Fernsehen freute er sich auf die, ach so besondere Clubszene hier in Reykjavik. Nach der ersten Enttäuschung und der Feststellung das Reykjavik Party-mäßig eher auf dem Niveau von Castrop-Rauxel als auf dem von New York liegt, musste er sich (durch mich) gezwungener maßen auf das Entdecken der natürlichen Besonderheiten einstellen. Somit zwang ich ihn zu einem Ausflug mit Jan und Rachel (ein deutsch-kanadisches Pärchen) in den norden von Island. Wie Kerstin und ich bereits im letzten November, fuhren wir in den kleinen Ort Reykjahlið am Myvatn (dem Mückensee) und schlugen dort die Unterkunft für 2 Tage in einem Guesthouse auf. Die Tage wurden mit wandern im tiefen Schnee und die Abende mit reichlich isländischen Bier in der Einsamkeit verbracht. Am vorletzten Tag unseres Ausfluges wanderten wir vier auf einem kleinen Berg und Timmi beschloß sich als Souvenir einen kleinen Basaltstein mit nach Hause zu nehmen. Den schönsten fand er dann als Teil eines kleinen Steinhaufens, der nach isländischer Mythologie als Zuhause der Trolle und Elfen dient. Davon unbeeindruckt schnappte er sich den Stein und mit diesem im Gepäck begaben wir uns am nächsten Tag auf den Rückweg nach Reykjavik. Nach ungefähr der Hälfte der Strecke hielten wir an einer kleiner Tankstelle mitten im Nirgendwo und während wir uns nach drinnen auf die Toilette begaben, beschloss Timmi draußen noch eine zu rauchen. Als er dort stand, tauchte laut seiner Aussage wie aus dem Nichts ein alter Mann auf und warnte ihn vor einem aufkommenden Schneesturm. Nachdem er sich nur kurz umdrehte, da wir in diesem Moment aus der Tankstelle kamen, war der Alte auch schon wieder verschwunden. Irgendwie höchst seltsam. Dennoch machten wir uns natürlich nicht weiter was daraus und setzten unsere Heimreise fort. Nach circa einer Stunde setzte ein derartiger Schneesturm ein, dass man keine 10 Meter weit sehen konnte. Ich saß zur der Zeit am Steuer und hatte mehrmals das Gefühl, jeden Moment in den auf die Straße gewehten Schneewehen stecken zu bleiben. Letztlich quälten wir uns in Schrittgeschwindigkeit durch den Sturm und erreichten nach unzähligen Stunden Reykjavik.
Am nächsten Morgen, es war der erste März, begab ich mich mit Timm in die Bank um meine Miete zu begleichen. Während ich am Bankschalter stand, versuchte sich Timmi am Gratis-Kaffeeautomaten einen Kaffee zu besorgen. Er kam aber mit der ausgefuchsten isländischen Technik nicht zurecht und wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein blinder alter Mann auf, der ihm wortlos bei der Bedienung der Kaffeemaschine half und danach wieder verschwand. Die Sache wurde langsam gruselig. Seit Timm den Stein aus dem Trollhaufen entwendet hatte, tauchten immer wieder wie aus dem Nichts alte Männer auf, die ihm warnten oder halfen. Bis hierher ja noch nichts schlimmes und daher beschloss Timm auch den Stein zu behalten und ihn nach Deutschland auszuführen. Am letzten Abend begossen wir unseren Abschied mit einigen Bieren in der Kneipe und beschlossen schließlich, Nachts um 2, die Segel zu streichen, da Timm um vier wieder aufstehen musste, um seinen Flieger zu bekommen. Wir stellten beide den Wecker unsere Handys auf 04.20 Uhr, legten uns auf´s Ohr und schliefen....bis um sieben. Zu dieser Zeit schlossen Ungefähr die Check-In Schalter am Flughafen und uns dämmerte, dass es mit seiner Abreise an diesem Tag es wohl nichts werden würde. Auf diesen Schock ging Timm erstmal eine Rauchen und traf – wie kann es anders sein – vor der Tür einen alten Mann, der diesmal allerdings wortlos an ihm vorüber ging. Das genügte nun jedoch endgültig und der Trollstein wurde sicherheitshalber aus dem Gepäck entfernt. Zwei Tage später und 200€ ärmer kam Timm dann schließlich sicher am Berliner Flughafen an. So viel zur isländischen Mythologie.

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Am 13.03 konnte ich schließlich, nach langer Zeit der Sehnsucht, Kerstin wieder in meine Arme schließen. Wir verbrachten eine wirklich fantastische, wunderbare und intergalaktische Woche zusammen, die ich mit Worten kaum beschreiben kann. Wir fuhren in den Süden und sahen Gletscher, Strände und Felsen von atemberaubender Schönheit. Das Wetter zeigt sich in der Woche nicht von der besten Seite, was unsere Reise jedoch noch mystischer und beeindruckender machte. Ich lasse im folgenden lieber die Bilder sprechen und möchte nur noch sagen: Du fehlst mir, wahnsinnig!

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In der letzten Woche besuchten mich Nora und Jens. Versuchte ich bis jetzt jeden meiner Besucher davon zu überzeugen der ländlichen Seite Islands die größte Beachtung zu schenken, merkte ich sehr bald, dass diese Bemühungen – vor allem bei Jens – wahrscheinlich nicht zu großem Erfolg führen würden. Jens und Nora beschäftigten sich mit der kulturellen Seite von Reykjavik. Sie besuchten Museen und entdeckten die Straßenkunst Reykjaviks. Pflichtprogramm für Jens war natürlich der eigene künstlerische Ausdruck an Reykjaviks Mauern und nach endlos langer Suche nach Farben konnte er endlich seinen Teil zur Straßenkunst beitragen. Ansonsten war die Woche relativ Kneipen- und Gesprächsintensiv und ich habe festgestellt, dass Besucher nicht unbedingt nach dem sechsten Tag zu stinken anfangen ;-) ! Nora und Jens, ihr habt mir Reykjavik noch einmal von einer völlig anderen Seite gezeigt und dafür möchte ich euch Danken.

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So, dass soll’s erstmal für heute gewesen sein. Ich danke euch für die Aufmerksamkeit und verspreche, dass das nächste mal nicht so lange auf sich warten lässt ;-) ....

Hochachtungsvoll,
Stefan

P.S: Obwohl schon gesagt, muss es noch einmal raus: Die Woche war der Wahnsinn und ich freue mich auf die 3 Milliarden kommenden. Ég elska þig!

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Mittwoch, 11. Februar 2009

Es Kommentiert Axel Müller vom Brandenburgischen Rundfunk

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Es ist Dienstag Morgen, meine Handyuhr zeigt 04:40 Uhr. Ich bin wach, 10 Minuten bevor mein Wecker klingelt. Ist ja mal wieder typisch. Wenn bei mir irgendetwas funktioniert, dann meine innere Uhr.
Dass die Nacht für mich nach knapp 4 Stunden bereits wieder vorüber ist, stört nicht weiter.
Sofort schießt mir ein ungewöhnlicher Ohrwurm in meinen Kopf. 'Oops, I did it again!'... Wie der dort hinkam? Stefan und ich hatten Zugang zu Youtube. Genauere Informationen möchte ich hierzu nicht veröffentlichen. Es hätten sich weitaus gefährlichere Lieder in meinen Schädel einnisten können. 'Hey Mister Wichtig, du tickst ja nicht ganz richtig...'
Zum Glück ist der Koffer schon gepackt. Nur noch Zahnbürste und Schlafklamotten eingesteckt, dann wird es Zeit, Stefan wieder in Ruhe zu lassen. Es ist mein Abreisetag.

Draußen sind es 7°C unter Null, so zeigt es die große digitale Anzeige an der Tankstelle. Verwundert mich eigentlich, denn mein Windbreaker hält für diese Temperaturen erstaunlich warm. Mit konzentrierten Kräften ziehe ich meinen Koffer durch die von Eis verkrusteten Gassen. Wieviele Leute wohl vom Scheppern der kleinen Rollen wachgeworden sind? Ich fürchte, dass ganz Reykjavík meine Abreise wahrnimmt. Auf dem Weg zum FlyBus Richtung Flughafen laufe ich an dem Teich entlang. Der Himmel ist hier weniger vom Licht der Stadt erhellt. Noch einmal drehe ich mich in Richtung Norden. Ob der Himmel doch ein Nordlicht als Abschiedsgeschenk für mich bereithält? Nein, leider nicht. Dafür wird mein Ohrwurm von einem anderen gefressen. 'Die Nordlichter geben sich heute die Ehre, also werft Eure Hände in die Athmosphäre'... Schon besser!

Meine Sorge, keinen Sitzplatz in dem Bus zu bekommen, ist unbegründet. Die Nachfrage zu dieser frühen Stunde hält sich wohl in Grenzen, denn für die wenigen Anwesenden wird ein 12-Sitzer bereitgestellt.
Wir verlassen die Stadt Richtung Flughafen. Schwefelgeruch dringt immer wieder durch die Lüftung. Ich muss an die heißen Quellen Islands denken, die blubbernd ihren fauligen Geruch an die Oberfläche entlassen. Nie zuvor hatte ich so etwas derartiges gesehen, gerochen vielleicht schon. Da kocht Wasser inmitten einer Schneelandschaft! Der Dampf nahm uns die Sicht, als wir diese Kraterwaschküche auf ausgewiesenen Pfaden erforschten. Ein Schild warnte uns vor möglichen Dampfexplosionen – Ja, Danke für den Hinweis!
Das war am Sonntag, dem letzten von 3 Tagen Islandexkursion.

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Unser treues Gefährt, ein Nissan Micra wurde während der Zeit auf harte Proben gestellt. Mit Sicherheit hat der Wagen nun mindestens ein paar weichere Stoßdämpfer. Auch haben wir gelernt, dass Geschwindigkeiten von wenigstens 100 km/h auf eisverkrusteten Pisten und schlaglochübersäten Schotterwegen dem Auto sowohl Auftrieb als auch Stabilität verleihen. So mussten wir Unebenheiten nicht ausweichen, sondern konnten direkt darüber hinwegfliegen... Ansteigende vereiste Straßenabschnitte wurden ohne mit der Wimper zu zucken mit kreischend durchdrehenden Vorderreifen genommen. Mithilfe dieser Strategien gelangten wir an Orte, die sonst eher den sonnenbebrillten Fahrern moderner SUVs, ausgestattet mit metergroßen, tiefprofilierten Rädern vorbehalten war.

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Ausgelassene Unterhaltung lieferte unser tschechisches Crewmitglied Lukas (ausgesprochen: Lukasch). Wenn er einmal nicht auf wildentschlossener Fotosafari in der Botanik herumjagte (beachtliche 500 Fotos in 2 Tagen, kein Motiv blieb unentdeckt!), versorgte er uns mit reichhaltigem Wissen aus dem tschechischen Sprachgebrauch. Stefan wird mich wohl in Zukunft nur noch mit einem sinnfreien 'Buglugg' begrüßen, woraufhin ich mit einem spontanen 'Gyglobb' antworte... Wenn das mal nicht an die Konversation von Extraterrestriern erinnert...
Nachdem wir uns von unseren tränentreibenden Lachanfällen mal wieder erholt hatten, genossen wir das was wir von Island geboten bekamen. Musikalisch unterlegt wurden Schnee, Eis und erkaltete Lavaformationen von New Order und Arcade Fire. Dann wurde es plötzlich wieder still im Wagen und jeder ließ sich von der einzigartigen Schönheit des Blau-Weiß-Gemisches außerhalb der Wagenscheiben berühren.

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Nur wenn wir schroffen Felsen oder von Wasserfällen natürlich erschaffenen Eisbahnen begegneten, erwachten wir wieder aus unserer Melancholie und wir ließen das Kind in uns toben, bis wir uns ausgeklettert und -geschlittert hatten.

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Lukas derweil demonstrierte Erwachsenheit und betrachtete unser Treiben aus sicherer Entfernung – mal skeptisch, mal amüsiert.
Gestern am 09.02.2009 wurde er 23 Jahre alt. Wir waren auch eingeladen zu einer gemütlichen kleinen Feier. Es wurden schwere kulinarische Geschütze aufgefahren, von Gullasch über mit Soljanka vergleichbarerm Eintopf bis hin zu jeder Menge Kuchen und Desserts. Ein Hoch auf die tschechischen Kochkünste! Eine fabelhafte Gelegenheit auch, meine Englischkenntnisse zusammen mit den anwesenden Erasmus-Franzosen aufzufrischen. Es ergab sich ein sprachliches Kuddelmuddel aus Deutsch, Englisch und Französisch. Jeder warf ein, was sein individueller Wortschatz hergab. Ein wahres Feuerwerk der Vokabeln!

Jetzt, am Morgen danach bin ich also auf meinem Heimweg. Ich habe den Flugplatz inzwischen erreicht, das Gepäck ist in den unergründlichen Tiefen hinter den Check-In Schaltern verschwunden. Die Sonne wird erst in ein paar Stunden aufgehen, mehr oder weniger. Großzügig den Wecker gestellt, die Schlummerfunktion bis aufs Äußerste ausgereizt, wird irgendwann auch Stefan sich aus dem Bett quälen...

Stefan, es war eine helle Freude! Danke für Alles, was ich mit dir erleben konnte. Ich hoffe, du hast noch ein paar weitere unvergleichliche Tage in den verbleibenden Monaten.

Ich glaube, dass das Universum nur ein Quantum einer viel größeren Welt ist, was meinst du?

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Gyglobb!

Donnerstag, 22. Januar 2009

Ein Leben in Island - Teil 2

Ich bin wieder zurück - und was mache ich jetzt damit? Fast genau zwei Monate ist es her, seitdem ich den letzten Beitrag auf dieser Seite verfasst habe und in der Zwischenzeit ist so viel passiert. Ich habe die Vorweihnachtszeit hier erlebt, ich habe mich von lieben Menschen hier verabschieden müssen, ich habe viel Zeit auf Flughäfen verbracht, die Weihnachtsstimmung in Deutschland gesucht und nicht wiedergefunden, ein seltsam-schönes-trauriges Weihnachtsfest verbracht, die Nord-Iren und ihre Freundlichkeit kennengelernt, ein wunderschönes Sylvester in Coleraine verbracht, mir eine Kieferhöhlenentzündung zugefügt, im Zuge dessen einen wunderschönen Tag in der Notaufnahme in Berlin-Mahlsdorf verbracht, einen riesengroßen Abschied überstehen müssen - und dann, ja dann war ich wieder hier. In einem Land, dass mir inzwischen schon so vertraut ist, aber dem ich jetzt ganz anders begegne - und zwangsläufig muss, da geliebte Menschen nicht mehr hier sind. Um seinen eigenen Nahmen zu verhöhnen, hat mich dann Island auch gleich mit hochsommerlichen 8°C und einem tropischen Regenschauer empfangen. Nach dem ich also die circa 30°C Temperaturunterunterschied zu Deutschland einigermaßen verdaut hatte, schickte ich mich am 07. Januar an, mein Leben hier wieder aufzunehmen. Die erste Hürde bestand dabei darin, mich durch das ausgesprochen elektronische-, moderne-, intelligente-, verfluchte- und vor allem isländische Kurs-Einschreibungsprogramm zu quälen. Nach mehreren Stunden und vergeblichen Anrufen bei Bill Gates und Wolfgang Schäuble schaffte ich es dann doch noch mein Programm für das kommende Semester auszuwählen. Viele daheim-gebliebene stellen sich das gemeine Erasmus-Studentenleben ja eher als eine einzige riesengroße Party vor! - Das stimmt. Aber neben der doch relativ großen Anzahl gemeinschaftlicher Zusammenkünften der europäischen Spaßgesellschaft wird die universitäre Komponente eigentlich nicht allzu sehr vernachlässigt. Und damit ihr mal seht, dass ich auch hier in Island durchaus ernsthaft meine Universitäre Laufbahn verfolge, werde ich Euch im folgenden mal meinen Stundenplan etwas näher bringen. Ich werde dieses Semester vier Kurse besuchen und - auch wenn es im ersten Moment vielleicht nicht sofort erkennbar ist - jeder dieser Kurse repräsentiert dabei einen Teil meines Studiums. Der erste Kurs "Volcanology" beschäftigt sich mit den Vulkanisch-aktiven Regionen dieser Erde und vor allem natürlich mit den Vulkanen vor der Haustür. Der ortsansässige "Hekla" bricht eigentlich relativ zuverlässig alle 10 Jahre einmal aus. Dann hat sich im inneren wieder so viel Druck aufgebaut, das die darüber liegende dünne Gesteinsschicht die übermütige Lava nicht mehr aufhalten kann. Der Hekla ist im Moment sozusagen wieder hochschwanger und eigentlich schon längst überfällig. Ein Kaiserschnitt wird wohl nicht in Erwägung gezogen, aber die Chancen für eine geologische Niederkunft stehen für die Zeit meines Islandaufenthaltes gar nicht schlecht. Kurs Nummer 2 befindet sich thematisch im Bereich meines Studienschwerpunktes Antropogeographie, hört auf den Namen "Non-State-Actors" und beschäftigt sich mit jeglichen Formen von organisierten, nicht-staatlichen Netzwerk-Strukturen. Unsere Dozentin ist Britin und verwöhnt mich akkustisch mit feinstem Oxford-Englisch, was im Gegensatz zum eher Nuschel-artigem isländischen Englisch eine wahre wohltat ist. Auch optisch kann die Dame ihre britische Herkunft kaum verleugnen - denn sie sieht aus wie die ein-eiige Zwillingsschwester von Margret Thatcher. Nur netter.
Im Kurs "History of Iceland" wird die relativ kurze Besiedlungsgeschichte Islands untersucht. Island wurde nachweislich erst im 9. Jahrhundert durch Norwegische Fischer, Bauern und Händler besiedelt, welche auf der Flucht vor der norwegischen Monarchie - oder auch nur aus Entdecker-Drang - die lange Reise durch den eisigen Atlantik in Richtung Norden auf sich nahmen. Allerdings halte ich den Versuch, 1100 Jahre Besiedlung in 14 Wochen zu behandeln, für ein relativ kühnes Unterfangen. Wir müssen somit in einer Woche durch 80 Jahre Geschichte rauschen....mir als halber Geschichtswissenschaftler stellen sich da ja die Haare zu Berge! Ich könnte nun versuchen die Wahl meines letzten Kurses durch mein Nebenfach "Publizistik" zu rechtfertigen....das währe dann aber - wenn überhaupt - vielleicht nur ein viertel der Wahrheit. Im Kurs "Ipod - Technology of the self" beschäftigen wir uns allerdings nicht nur mit dem Produkt Ipod als solches, sondern vielmehr mit der psychologischen Komponente von Musik, den kritischen Medientheorien von Adorno und Benjamin sowie der Frage, ob technischer Fortschritt und Reproduzierbarkeit Fluch oder Segen für Kulturelle Güter wie Musik oder Film ist. Weiterhin werden die Marktstrategien eines Großkonzerns wie Apple analysiert. Schließlich scheinen die Werbe- und Produktstrategien bei dem ein- oder anderen von uns nicht ganz erfolglos gewesen zu sein.... ;-) ! Der Dozent unseres Kurses ist ein junger Amerikaner, der allerdings in Deutschland geboren wurde und in den USA seinen Doktor in Sozialwissenschaften und Germanistik gemacht hat. Die Diplomarbeit hat er übrigens über das Thema "alternative Musik" mit dem Schwerpunkt "Einstürzende Neubauten" geschrieben....was alles so als Wissenschaft durchgeht.... ;-) ! Ansonsten zeigt der Typ aber eindrucksvoll, dass innovative Lehrmethoden und wissenschaftliches Arbeiten kein Widerspruch sein muss. Vor Beginn des Unterrichts schlägt Mirko, so heißt der Vogel, erstmal mit jedem ein und erkundigt sich nach dem wehrten Wohlbefinden...auch wusste er bereits nach der ersten Woche jeden einzelnen Vornamen von uns! In dem Seminar werden dann die Theorien von Adorno und Benjamin auseinander genommen und auch schon mal anhand eines Musikvideos von Britney Spears oder Scooter analysiert. Nach der ersten Vorlesung habe ich ihn in unserer Kaffeeteria getroffen und ein Widerspruch war völlig zwecklos als er mich auf ein Mittagessen in unserer überteuerten Mensa eingeladen hat. Wir haben dann anderthalb Stunden über Musik, Sarah Palin, Isländisches Essen und Berlin geredet...ein netter Kerl.
Ihr seht also, die Wahl meiner Kurse war also völlig legitim und sie werden mir neben dem Spaß und dem Wissen auch natürlich was für meine Karriere bringen....oder so...!

Völlig Legitim, wenngleich nicht ganz legal, aber absolut verständlich sind die Proteste die inzwischen täglich in der Innenstadt von Reykjavík stattfinden. Waren es zum Ende des letzten Jahres noch einige einzelne die bereits direkt von der Krise betroffen waren, so breitet sich die Krise immer weiter und in alle vorstellbaren Berufsgruppen aus. Im August letzten Jahres konnte der kleine Inselstaat hier noch nahezu Vollbeschäftigung melden. Nach Anfang der Krise stieg die Arbeitslosenquote im November auf 0,8 Prozent und hat inzwischen eine historische Höchstmarke erreicht: 5,4%. Auch stellen in öffentlichen Einrichtungen (Krankenhäuser, etc.) werden zurückgefahren und so kommen die Demonstranten inzwischen aus allen gesellschaftlichen- und Berufsgruppen. Gestern und Vorgestern waren bis 3 Uhr Nachts circa 2000 Menschen auf den Straßen, die vor dem hiesigen Regierungsgebäude - dem Alþing - demonstrierten. Das sind immerhin 1,6% der Gesamtbevölkerung und wenn man das auf Deutschland umrechnet, währen das circa 1,4 Millionen Menschen die gleichzeitig marschieren würden. Allerdings wurde vor dem Regierungsgebäude nicht nur marschiert und in lauten Sprechchören der Rücktritt der Ministerpräsidenten Geir Haarde gefordert, sondern auch riesige Feuer vor dem Gebäude entzündet und die Glasfassade des Regierungsgebäude mit ungekochtem Rührei verziert. Damit das Saubermachen der Scheiben nicht so viel Arbeit macht, wurden diese anschließend mit steinigen Wurfgeschossen großzügiger Weise gleich zerstört. Quittiert wurde das durch die, sonst so friedliche, isländische Polizei mit dem Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken. Das Ergebnis waren zahlreiche verletzte und circa 20 Festnahmen.....das Krankenhaus und das Gefängnis von Reykjavík dürfte somit aus allen Nähten platzen...! Im Ergebnis waren es die schlimmsten Unruhen (vielleicht auch die ersten) seit dem Nato-Beitritt 1949. Es wird erwartet dass die Demonstrationen so lange weiter gehen, bis sich die Regierungskoalition für aufgelöst erklärt hat. Während ich das schreibe höre ich schon wieder Trommeln und Böller in der Ferne.....und ich wollte doch nur "ein bisschen Frieden"!

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Quelle: www.kurier.at

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Quelle: http://aftaka.org

Am Wochenende war ich übrigens bei einer Bad-Taste-Party und ich finde das ich das Motto der Party äußerst gut verinnerlicht hatte. Einige von Euch werden jetzt vielleicht einige Kleidungsstücke wiedererkennen die unter Umständen Kerstin zugerechnet werden könnten. Ihr habt Recht. Es sei aber gesagt, dass sich der schlechte Geschmack nicht durch die einzelnen Kleidungsstücke, sondern vielmehr durch die Kombination verschiedener Farben und Formen ergibt. Auch der männliche Körper der in den Knappen Kleidern steckt könnte eine Rolle spielen. Die Verantwortung für die Leggings, die kurze Hose, die Schuhe und mein Gesicht übernehme ich selbst! Aber seht selbst......

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Liebe Grüße aus Heiligendamm,

Stefan

Montag, 24. November 2008

Gibt es "das Ende der Welt" ?

Liebe Mitglieder der Zivilisation,

für mich hat sich die Frage an diesem Wochenende beantwortet - denn ich habe es gesehen. Unser Plan am vergangenen Wochenende die Westmännerinseln zu besuchen hielt sich bis zum letzten Freitag Morgen, als uns unser Freund Pascal anrief um uns zu fragen, ob wir bereit wären Dinge zu sehen, die noch niemals ein Mensch zuvor gesehen hat. Na ja, jedenfalls nicht allzu viele Menschen. Da in der Wintersaison (September - Mai) die Preise für Mietwagen enorm gesenkt werden war es für uns möglich, einen großen Geländewagen für umgerechnet 12€ pro Tag und Person zu bekommen. Mit diesem Panzer bewaffnet und lange Unterhosen, Handschuhe und Mützen im Gepäck, ging die Reise am Freitag Abend zum Mývatn los. Der Mývatn liegt ganz im Norden von Island, bei circa 66° Nord, also sehr nahe am nördlichen Polarkreis. Doch bis zu diesem Ziel lag noch eine lange und doch recht gefährliche Autofahrt vor uns. Straßen waren nach unserer Definition fast nicht mehr vorhanden - viel mehr Bestand die Route aus Schotterpisten die gänzlich mit Eis- und Schneeschichten überzogen waren. Vorbei an - und durch - wirklich bizarre Lavalandschaften, führte uns die Route immer weiter nordwärts. Erschwert wurde die Orientierung immer mehr durch starken Schneefall und die alles umschließende Dunkelheit. Die Scheinwerfer unseres Allrad-Betriebenen Gefährtes waren oft für lange Zeit und für viele Kilometer die einzigen Anzeichen der Zivilisation. Man hatte den Eindruck, dass man auch genauso gut auf dem Mars hätte sein können. Wie aus dem Nichts tauchte nach knapp 400KM dann auf einmal die zweitgrößte Stadt Islands vor uns auf. Akureyri nennt circa 20.000 Einwohner sein Eigen und kann mit Recht als Perle des isländischen Nordens bezeichnet werden. Wie diese Stadt so da stand - mitten im Nichts aus Schnee, Eis und Lavagestein und in ihrem wunderschönen Weihnachtskleid - man konnte sich leicht vorstellen das der Weihnachtsmann diesen Ort als sein zu Hause aus erküren würde. Nördlich von Akureyri wurde die Gegend noch verlassener, was eigentlich kaum noch möglich war. Auf den folgenden 150KM nach Reykjalið am Mývatn begegneten wir vielleicht drei anderen Fahrzeugen. Um circa 1 Uhr Nachts erreichten wir dann unser Guesthouse und trafen natürlich - wie konnte es anders sein - auf eine Gruppe Deutsche und Österreicher, die wir selbstverständlich auch aus der Universität kannten. Man fährt an das Ende der Welt und trifft: Deutsche - Natürlich!

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unser Guesthouse

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das Stadtzentrum - Tankstelle & Supermarkt

Der Ort Reykjalið wird ein wenig großspurig als das Touristische Zentrum des Mývatn bezeichnet. Die Auszeichnung erhält der Ort weniger durch die hohe Bevölkerungsanzahl (112 Einwohner) als viel mehr durch die Anwesenheit einer Touristeninformation im einzigen Supermarkt vor Ort. Geworben wird für den Mývatn im übrigen damit, dass in den Sommermonaten ungeheure Schwärme von Mücken den See bevölkern - daher auch der Name: Mývatn = Mückensee. Na ja, darüber kann ein Spreewälder natürlich nur lachen! Der Mývatn ist ein See, der durch das Auseinanderdriften der Nordamerikanischen und der Eurasischen Platte entstanden ist und auch das gesamte Gebiet um den See herum ist geologisch sehr aktiv. Überall fallen Vulkankegel in´s Auge oder die Vulkanische Aktivität wird sichtbar in Form von stinkenden, dampfenden Schwefelfeldern. Der Ort Reykjalið selbst ist übrigens im 17. Jahrhundert opfer eines Vulkanausbruchs geworden, welcher nahezu alle Häuser des Ortes zerstört hat. Einer Sage zu Folge flüchteten sich alle Bewohner in die kleine Kirche des Ortes und der Pfarrer brachte die anrückende Lavafront mit ausgebreiteten Armen zum stehen. Fakt ist, dass damals kein einziger Bewohner des Ortes zu Schaden kam.

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Schwefelfelder

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Vulkankrater im Morgengrauen

Am frühen Samstag morgen führte uns unsere Route weiter in den Norden, mit dem Ziel Húsavík. Die Route führte über eine kleine, einsame und vereiste Passstraße, deren Schönheit wohl kaum noch zu überbieten ist. Wir durchfuhren diese Gegend zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages und diese Kombination der Farben war einfach atemberaubend.

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unsere Route

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weiß, blau & rot

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unser Gefährt und die Kasi

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Sonnenaufgang am Polarkreis

Nach circa 2 Stunden Fahrt erreichten wir gegen Samstag Mittag dann den Ort Húsavík. Dieser besitzt zum einen als Fischerort eine überregionale Bedeutung, zum anderen beherbergt das kleine Städtchen aber auch das meist frequentierte Museum Islands - das Penismuseum. Im Rahmen dieses höchst Wissenschaftlichen Projektes werden die männlichen Geschlechtsorgane von verschiedensten Tierarten ausgestellt. So auch ein Pottwahlpenis mit folgenden beeindruckenden Werten: 1,70m Lang, 0,5m dick, 70kg schwer. Auch Exemplare der Menschengattung sollen demnächst folgen - nur leider sind die potentiellen Spender bisher noch am Leben.

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die Bucht von Húsavík

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der Hafen

Wer jetzt die Bilder des Phallusmuseum vermisst der sei ein Blick auf den nächsten Eintrag in Kasis Blog empfohlen.

Am Samstag Abend besuchten wir dann noch ein Natur-Bad in der Nähe unserer Unterkunft. Ich muss sagen, dass ich wirklich selten in meinem Leben etwas derart Abstruses gemacht habe, als bei -9°C Außtentemperatur und Windstärke 5 nur mit einer Badehose bekleidet durch den Schnee zu laufen. Belohnt wurde diese wahnsinnige Heldentat dann jedoch mit circa 40°C heißem Wasser, schwarzem Lava-Sand und einem überwältigendem Sternenhimmel über uns.
Nach einer weitern Übernachtung im Guesthouse in Reykjalið machten wir uns am frühen Sonntag Morgen dann auf den Heimweg, natürlich nicht ohne noch einmal an zahlreichen beeindruckenden Angebereien der Natur anzuhalten.

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Sonnenaufgang kurz hinter Reykjalið

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Dettifoss

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das "Exkursionsteam"

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kurz vor Akureyri

Alles in allem war es der wohl bisher schönste Trip hier auf Island, obwohl die verschiedenen Regionen kaum miteinander zu vergleichen sind und jede einzigartige Landschaft bietet. Aber die Kombination aus Weite, Einsamkeit und Schönheit hab ich in dieser Form vorher noch nie so gesehen. Man hatte halt wirklich das Gefühl am Ende der Scheibe angelangt zu sein..........

Liebe Grüße aus dem Mittelalter,

Stefan

Dienstag, 18. November 2008

Vote for.....

Liebe Bewohner der Länder des Lichts,

die Tage hier werden mit rasanter Geschwindigkeit immer kürzer und kürzer. Das Sonnenlicht beehrt uns mit seiner Anwesenheit inzwischen nur noch circa 5 Stunden am Tag und natürlich auch nur dann, wenn es sich einmal durch die dichten Wolken kämpfen konnte. Das kommt nicht allzu oft vor und so hat man subjektiv das Gefühl als hätte wirklich jemand das Licht ausgeknipst und man weiß, das es erst im nächsten Frühling wieder angeschalten wird.
Dennoch nutzten wir das schöne Wetter des vorletzten Wochenendes noch einmal aus und verließen das, manchmal sehr einengende, Reykjavík in Richtung Norden zur Halbinsel Snæfellsness. Das wir den Weg in die Freiheit zu fünft in einem VW Polo verbrachten, kann mit ein wenig Überlegung schon auch als Ironie betrachtet werde. Dennoch war unsere kleine Reisegesellschaft eine sehr lustige und international-europäische dazu. Unter dem Dach unseres Kleinwagens versammelten sich immerhin 3 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union: Deutschland, Spanien und die Tschechische Republik. Amtssprache während unserer kleinen Reise trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der deutschen Fraktion somit ausschließlich Englisch.

Nach dreieinhalb Stunden Fahrzeit erreichten wir dann den Nationalpark Snæfellsness. Eine Halbinsel mit einem Nationalpark, welcher in seiner Mitte einen riesigen Gletscher - den Snæfellsjökull - beherbergt. Es ist nahezu unmöglich die Einzigartigkeit dieser Landschaft in Worten wiederzugeben. Ich werde es versuchen, aber ich werde scheitern. Wir haben Wasserfälle gesehen wie ich sie noch nie zuvor gesehen hab. Wir haben sogar Wasserfälle gesehen, bei denen das Wasser auf Grund des starken Windes nach oben geflossen ist.
Wir sind durch Landschaften gefahren und gelaufen, die Vollständig mit Moos-überzogenen Lavagestein bedeckt waren. Wir haben riesige Höhlen und wahnwitzige Steilküsten gesehen. Wir waren uns alle einig, dass wir eine solche mystische, schöne und ehr einflößende Natur noch nie zuvor gesehen haben.

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Ich hoffe diese Bilder haben einen kleinen Eindruck von dem vermittelt, was unsere Augen gesehen haben. Ich muss gestehen das mich diese Landschaft des öfteren an die Bilder aus "Der Herr der Ringe" erinnert und mich beim Gang über die Wiesen und über die Berge nach Mittelerde versetzt hat.

Am kommenden Wochenende werden Kerstin und ich, diesmal ganz allein, zur südlichsten Spitze von Island - zu den Westmännerinseln (Vestmannæyar) - aufbrechen. Mit dem Bus geht es zunächst von Reykjavík nach Þorshöfn und von dort aus weiter mit der Fähre nach Heimæy, der größten Insel dieser Gruppe. Die Westmännerinseln wurden auch International bekannt, als 1963 innerhalb von wenigen Tagen durch einen Vulkanausbruch unter Wasser eine völlig neue Insel entstand. In den 70er Jahren hingegen musste Heimæy auf Grund eines gewaltigen Vulkanausbruchs völlig evakuiert werden. Noch heute sind die Spuren dieses Ausbruchs deutlich auf der Insel, in Form von mit Lava überzogenen Häusern, zu sehen. Ich bin sehr gespannt......

Bis bald und liebe Grüße aus Island,

Stefan

P.S:
Die Wahl des nächsten und hoffentlich besseren US-Präsidenten wurde auch natürlich hier in Island verfolgt. In unserem Fall auf einer Wahlparty der Amerikanischen Botschaft, zu der uns unsere Färöische Mitbewohnerin eingeladen hatte. Das beste neben dem Ergebnis war für uns arme Studenten natürlich das überragende und vor allem kostenlose Buffet, inklusive vorzüglichem Rotwein. Dafür haben wir uns dann natürlich auch überreden lassen, als Wahlhelfer zu fungieren und unserem Kumpel Barack in den Momenten des Bangens beizustehen.....

wahltag

Montag, 3. November 2008

Nahe am Abgrund

Liebe Freunde und Verwandten,

in diesen Tagen entdeckt man auf den Wirtschaftsseiten in den Tageszeitungen ein um das andere mal Berichte über die Auswirkungen der Bankenkrise, welche sich zu einer Wirtschaftskrise in weiten Teilen der Welt gemausert hat. Nun liest man zumeist diese Artikel und sie kommen einem irgendwie abstrakt vor. Große Banken, so hört man, seien nahezu bankrott und sollen nun durch einen groß angelegten Rettungsplan wieder in das Reich der Lebenden zurückgeholt werden. Da wird von Milliarden gesprochen und man kann sich dabei nie so richtig vorstellen das irgendwann wirklich kein Geld mehr aus dem Automaten kommen könnte. Wie denn auch - man hat ja nicht einmal eine Vorstellung davon wie es dort hinein kommt. Kurse fallen, riesige Unternehmen stehen vor dem Aus, schlechte Stimmung in der Wirtschaft: Also eigentlich alles wie immer. Klar bekommt man als Kleinverdiener mit das die Milch teurer wir und das Gemüse....aber immerhin auch, dass das Heizöl und der Sprit wieder ein wenig günstiger geworden ist.
Das alles sieht hier wirklich komplett anders aus. Als wir Ende August hier ankamen, schlugen wir unsere Zelte in einem (zum damaligen Zeitpunkt) der reichsten Länder der Welt auf. Jeder der uns aus Island berichtete erzählte von einem enormen Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, dem verzweifelten Bemühen der Einzelhändler an Arbeitskräfte zu gelangen - Kurzum: von den blühenden Landschaften die noch niemals ein Mensch zuvor gesehen hatte. Und ich denke das war auch nicht übertrieben. Dieses Land befand sich seit Jahrzehnten in einem enormen wirtschaftlichen Aufschwung der in diesem Oktober jäh gebremst wurde. Nein, der Aufschwung wurde nicht gebremst, er wurde eliminiert. Sowohl die Regierung als auch die Banken, Arbeitgeber und -Nehmer verfielen von jetzt auf Gleich in eine apokalyptische Stimmung. Von außen betrachtet zuerst unverständlich erklärt sich jedoch vieles, wenn man die Geschichte dieses Landes betrachtet. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war Island eine unbedeutende kleine Fischernation im Nirgendwo zwischen Europa und Amerika. Doch der Fisch konnte auf Grund der neuen und schnelleren Möglichkeiten nach Europa und in die USA exportiert werden und auf einmal erwies sich die geographische Lage als durchaus Vorteilhaft. Durch den Export erwirtschaftete Devisen in Fremdwährungen wurden sogleich in den Aufbau einer eigen Wirtschaft, jenseits der Fischerei, investiert. Zudem gesegnet mit einem Überangebot an natürlicher und kostengünstiger Energieressourcen fand der Aufstieg kein Ende. Bis zum Oktober 2008!
Das die Isländische Krone stark an den Dollar gekoppelt ist und durch dessen Wertverlust mit in den Abgrund gesogen wurde ist nur die halbe Wahrheit, oder eine Halbwahrheit. Vielmehr trugen die Isländer selbst erheblich zu ihrem Schicksal bei und bauten in den Jahren der Glückseligkeit eine Kreditblase auf, die nun geplatzt ist. Es ist und war hier sehr üblich das nahezu jeder erwerbsfähige Isländer zwei Jobs hatte um sich seinen überaus hohen Lebensstandard zu finanzieren. Das Geld was mit den beiden Jobs verdient wurde, wurde postwendend in neue, große amerikanische und deutsche Geländwagen, in schicke Kleidung und teure Technik investiert. Bezahlt wurde das natürlich nicht, sondern durch Kredite finanziert. Ich habe von Wirtschaft wenig Ahnung, aber man kann es sich ja leicht vorstellen: Wenn sich jeder nur Geld leiht, ohne das wirklich welches real da ist, dann geht irgendwann der Bank das Geld aus. Und das ist passiert. Die Leute konnten teilweise am Geldautomaten tagelang kein Geld mehr abholen, die Kunden in den Geschäften und den Restaurants blieben weg und die ersten Leute verloren ihre Arbeitsplätze. War aber dann statt den zwei Jobs nur noch einer vorhanden, war es nahezu unmöglich bestehende Kredite an die Bank zurückzuzahlen - denn erspartes war ja nicht da. Ein echter Teufelskreislauf. Die Größe des Landes verstärke zudem noch die Krise. In einem Land, in dem gerade einmal 300.000 Einwohner leben, fällt es natürlich schnell auf wenn in der direkten Umgebung zahlreiche Leute ihren Arbeitsplatz verlieren. Schließt ein großer Elektronikmarkt ist das Stadtgespräch - und eine Katastrophe zugleich. Denn 50 Arbeitslose mehr, von vielleicht 180.000 Erwerbstätigen, sind nicht gerade wenig. Was heißt das jetzt konkret, was heißt das für uns?
Wenn man durch die Straßen hier in Reykjavík läuft spürt man hautnah die schlechte Stimmung. Entweder man hat nur den Eindruck das mehr alkoholisierte Menschen auf den Straßen unterwegs sind, oder es sind wirklich mehr. Oder beides. Die Arbeitslosigkeit steigt rapide an - 20% werden erwartet. Einige Leute zünden auf großen Parkplätzen ihre Geländewagen an, um Geld von der Versicherung zu kassieren. Die Arbeitsämter: Vor 2 Monaten noch nahezu beschäftigungslos, heute bis oben hin gefüllt. Der bei uns im Haus lebende Belgier, als Sportlehrer tätig, berichtete von einer enorm ansteigenden Selbstmordrate. Das betrifft zumeist vorwiegend Auswandere aus Osteuropa, die ihre Jobs verloren, die Miete nicht mehr zahlen konnten und sich auch kein Flugticket für den Weg nach hause mehr leisten können - das ist eine Insel! Es wird allerdings versucht diese Fakten aus den Medien herauszuhalten, um eine größere Panik zu verhindern. Wobei das Island-eigene Mediensystem selber stark angegriffen ist. So hat der größte Privatsender Islands allen seinen Mitarbeitern zum Monatsende hin gekündigt.
Ja das ist die Situation und sie ist ungefähr genauso schlecht wie ich sie gerade beschrieben habe. Die Frage ist, wie es weiter geht!? Schaffen es die Banken, sich zu stabilisieren? Kann durch staatliche Maßnahmen ein weiteres ansteigen der Arbeitslosigkeit verhindert werden? Findet vielleicht auch ein Umdenken - Bezahlen statt Finanzieren - in den Köpfen der Bewohner statt? Es sei zu hoffen, denn wenn nicht ist Island in einem Jahr wieder dort angelangt, wo es zu Beginn des 20. Jahrhunderts einmal war.
Wir fahren dieses Wochenende, von Freitag bis Montag, jedenfalls erst einmal in den Nord-Westen des Landes, nach Snaefellsness. Dies ist ein riesiger Nationalpark welcher einen wunderschönen Gletscher umschließt. Ich hab gehört, dieser soll noch nicht allzu schwer in der Krise sein....

Liebe Grüße,
Stefan

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