JBK
Liebe Leute,
heute ist offizieller Sommeranfang in Island, draussen regnet es Katzen und Hunde, die Menschen sind in dicke Winterjacken eingewickelt und nur ein paar unerschrockende Isländerinnen haben schon ihre Flip-Flops und die kurzen Rücke rausgeholt. Ich sitze grad in meinem Lieblingscafé auf der Hauptstraße in Reykjavík. Hier bin ich jedoch heute nur durch Zufall, da der für heute geplante Friseur-Besuch auf Grund des Sommeranfangs kurzfristig ausfallen musste. Sommeranfang ist hier nämlich anscheinend Feiertag. Ich möchte die nun gewonnene Haar-schneide-freie Zeit für einen kleinen Beitrag nutzen, der ausnahmsweise einmal nichts, aber auch gar nichts mit Island zu tun hat. Es geht um Johannes B. Kerner.
Wie vielleicht viele von euch in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen, oder im Fernsehen gehört haben wechselt Johannes B. Kerner (in Kurzform: JBK) mit Beginn des Jahres 2010 vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dem ZDF, zum Privatsender Sat. 1. Über die journalistischen Qualitäten der Allzweckwaffe des ZDF lässt sich meiner Meinung herrvorragend streiten. Die all-abendliche Talkshow "Johannes B. Kerner" hat es nach über 10 Jahren immer noch nicht geschafft, ihr Format eindeutig zu positionieren. Es wird gekocht, mit Dieter Bohlen alle zwei Wochen über Verona Feldbusch und "Deutschland sucht den Superstar" gequatscht und immer wieder dürfen sich auch deutsche Politiker in der Abendshow präsentieren. Investigativ nachgefragt wird dabei nicht. Statt über konkrete, akute politische Themen dürfen die Politiker fröhlich über ihren letzten Segelurlaub referieren und der Herr Kerner passt immer schön darauf auf, nicht doch "allzu mutig herrvor zu preschen". Die Sendung dümpelt vor sich hin und sie erfüllt allenfalls den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Unterhaltung, nicht jedoch der Bildung und Aufklärung. Als Journalist kann man den Weggang des Johannes sicherlich verschmerzen...als Symphat des Senders für den breitesten Teil der Bevölkerung vielleicht nicht so einfach. Eine Verlängerung des Vertrages zwischen dem ZDF und JBK kam schlussendlich desshalb nicht zu stande, da sich der Herr Kerner seiner Stellung als Aushängeschild des Zweiten Deutschen Fernsehens nur zu gut bewusst war. Enstprechend seiner Rolle forderte er mehr Einfluss. Einfluss bei den Themen, Einfluss bei der Auswahl der Gäste. Das ZDF sollte dabei nur noch die Plattform der von Kerner mitproduzierten Show sein. Auch auf Grund immer wieder aufkommender Kritik an JBK´s Funktionen als Werbemann entschied man sich beim ZDF diesen Weg nicht weiter zu gehen - und Johannes entschied sich nach über 10 Jahren wieder zu Sat. 1 zurück zu gehen.
Nun, ein Wechsel eines Moderators von Sender zu Sender passiert öftes - zugegeben meisetens anders herum - aber dennoch ist die Mitteilung darüber den Medien meistens nur eine Randnotiz wert. Nicht jedoch bei JBK. Und hier beginnt die eigentlich interessante Geschichte. Die Online-Ausgabe des "Stern" berichtet seit 3 Tagen immer wieder in Form einer großen Nachricht vom Wechsel des Moderators zum Privatsender. In den Überschriften der Artikel wird von "erloschener Liebe", vom "Dampfplauderer" und von einem "Befreiungsschlag" des ZDF gesprochen. In jedem dieser Artikel kommt Herr Kerner ausgesprochen schlecht weg und über den Journalisten JBK wird ein um das andere mal ein vernichtendes Urteil gefällt. Dem Sender ZDF wird zu seiner Entscheidung gratuliert den Vertrag mit dem "Plauderer" nicht verlängert zu haben und Sat. 1 wird schon mal vorsorglich bemitleidet, sich diesen Egomanen ins Haus geholt zu haben. Nun, was steckt dahinter? Warum dieses große Interesse des "Stern´s" an dem Wechsel und an Kerners journalistische Unzulänglichkeiten? Meiner Meinung nach dient das Thema vor allem als Aufhänger zum Kampf des "Sterns" gegen die zwei anderen großen Magazine Deutschlands, Spiegel und Focus. Zuerst muss man wissen das Kerners Sendung zum Teil vom Nachrichtenmagazin "Focus" als Sponsor präsentiert wurde und der Aufnahmeleiter, laut "Stern", in einer verwandtschaftlichen Beziehung zur "Bild"-Redaktion stand. Sowohl "Focus" als auch die "Bild" werden im Allgemeinen als CDU/CSU-Nahe eingestuft. So bezog beispielsweise das Nachrichtenmagazin "Focus" im Wahlkampf 2005 eindeutig Position zu einer CDU/CSU/FDP-Koalition. Der "Stern" prangert nun an, dass sich durch diese Verflechtungen Kerner, die "Bild", der "Focus" und die genannten Parteien gegen eine öffentliche Diskussion emunisiert haben könnten. Gerade wieder ist Kerner in einer "Bild"-Werbekampagne zu sehen....
Produziert wird die Sendung von "Spiegel-TV" einem Ableger des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Der "Stern" wirft nun unter anderem dem "Spiegel" vor, das sich das sonst sehr kritische Magazin bei der Meldung über Kerners Sender-Wechsel sowohl im positiven, als auch im negativen zurückgehalten hat, da der Spiegel als Geschäftspartner jedwede negative Publicity vermeiden möchte. Spiegel-TV wird zudem auch bei Sat 1. Kerners neue Sendung produzieren.
Alles in allem viel Wind des "Sterns" um den Wechsel eines mittelmäßig journalistisch talentierten Moderators zu einem Privatsender. Viele der aufgebrachten Fakten des "Sterns" lassen aufhorchen, bestätigen dem skeptischen Medienkonsumenten aber nur mal wieder die Abhängigkeiten zwischen Industrie, Staat, Politik und Medien. Der "Stern" agiert hierbei als großer Aufklärer und als Wächter des freien- und investigativen Journalismus - und warum? Welche Sendung moderiert nochmal Günther Jauch jeden Mittwoch Abend auf RTL ....? Achso ja!
Grüße aus dem Theaterstadel....
Stefan
heute ist offizieller Sommeranfang in Island, draussen regnet es Katzen und Hunde, die Menschen sind in dicke Winterjacken eingewickelt und nur ein paar unerschrockende Isländerinnen haben schon ihre Flip-Flops und die kurzen Rücke rausgeholt. Ich sitze grad in meinem Lieblingscafé auf der Hauptstraße in Reykjavík. Hier bin ich jedoch heute nur durch Zufall, da der für heute geplante Friseur-Besuch auf Grund des Sommeranfangs kurzfristig ausfallen musste. Sommeranfang ist hier nämlich anscheinend Feiertag. Ich möchte die nun gewonnene Haar-schneide-freie Zeit für einen kleinen Beitrag nutzen, der ausnahmsweise einmal nichts, aber auch gar nichts mit Island zu tun hat. Es geht um Johannes B. Kerner.
Wie vielleicht viele von euch in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen, oder im Fernsehen gehört haben wechselt Johannes B. Kerner (in Kurzform: JBK) mit Beginn des Jahres 2010 vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dem ZDF, zum Privatsender Sat. 1. Über die journalistischen Qualitäten der Allzweckwaffe des ZDF lässt sich meiner Meinung herrvorragend streiten. Die all-abendliche Talkshow "Johannes B. Kerner" hat es nach über 10 Jahren immer noch nicht geschafft, ihr Format eindeutig zu positionieren. Es wird gekocht, mit Dieter Bohlen alle zwei Wochen über Verona Feldbusch und "Deutschland sucht den Superstar" gequatscht und immer wieder dürfen sich auch deutsche Politiker in der Abendshow präsentieren. Investigativ nachgefragt wird dabei nicht. Statt über konkrete, akute politische Themen dürfen die Politiker fröhlich über ihren letzten Segelurlaub referieren und der Herr Kerner passt immer schön darauf auf, nicht doch "allzu mutig herrvor zu preschen". Die Sendung dümpelt vor sich hin und sie erfüllt allenfalls den öffentlich-rechtlichen Auftrag der Unterhaltung, nicht jedoch der Bildung und Aufklärung. Als Journalist kann man den Weggang des Johannes sicherlich verschmerzen...als Symphat des Senders für den breitesten Teil der Bevölkerung vielleicht nicht so einfach. Eine Verlängerung des Vertrages zwischen dem ZDF und JBK kam schlussendlich desshalb nicht zu stande, da sich der Herr Kerner seiner Stellung als Aushängeschild des Zweiten Deutschen Fernsehens nur zu gut bewusst war. Enstprechend seiner Rolle forderte er mehr Einfluss. Einfluss bei den Themen, Einfluss bei der Auswahl der Gäste. Das ZDF sollte dabei nur noch die Plattform der von Kerner mitproduzierten Show sein. Auch auf Grund immer wieder aufkommender Kritik an JBK´s Funktionen als Werbemann entschied man sich beim ZDF diesen Weg nicht weiter zu gehen - und Johannes entschied sich nach über 10 Jahren wieder zu Sat. 1 zurück zu gehen.
Nun, ein Wechsel eines Moderators von Sender zu Sender passiert öftes - zugegeben meisetens anders herum - aber dennoch ist die Mitteilung darüber den Medien meistens nur eine Randnotiz wert. Nicht jedoch bei JBK. Und hier beginnt die eigentlich interessante Geschichte. Die Online-Ausgabe des "Stern" berichtet seit 3 Tagen immer wieder in Form einer großen Nachricht vom Wechsel des Moderators zum Privatsender. In den Überschriften der Artikel wird von "erloschener Liebe", vom "Dampfplauderer" und von einem "Befreiungsschlag" des ZDF gesprochen. In jedem dieser Artikel kommt Herr Kerner ausgesprochen schlecht weg und über den Journalisten JBK wird ein um das andere mal ein vernichtendes Urteil gefällt. Dem Sender ZDF wird zu seiner Entscheidung gratuliert den Vertrag mit dem "Plauderer" nicht verlängert zu haben und Sat. 1 wird schon mal vorsorglich bemitleidet, sich diesen Egomanen ins Haus geholt zu haben. Nun, was steckt dahinter? Warum dieses große Interesse des "Stern´s" an dem Wechsel und an Kerners journalistische Unzulänglichkeiten? Meiner Meinung nach dient das Thema vor allem als Aufhänger zum Kampf des "Sterns" gegen die zwei anderen großen Magazine Deutschlands, Spiegel und Focus. Zuerst muss man wissen das Kerners Sendung zum Teil vom Nachrichtenmagazin "Focus" als Sponsor präsentiert wurde und der Aufnahmeleiter, laut "Stern", in einer verwandtschaftlichen Beziehung zur "Bild"-Redaktion stand. Sowohl "Focus" als auch die "Bild" werden im Allgemeinen als CDU/CSU-Nahe eingestuft. So bezog beispielsweise das Nachrichtenmagazin "Focus" im Wahlkampf 2005 eindeutig Position zu einer CDU/CSU/FDP-Koalition. Der "Stern" prangert nun an, dass sich durch diese Verflechtungen Kerner, die "Bild", der "Focus" und die genannten Parteien gegen eine öffentliche Diskussion emunisiert haben könnten. Gerade wieder ist Kerner in einer "Bild"-Werbekampagne zu sehen....
Produziert wird die Sendung von "Spiegel-TV" einem Ableger des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Der "Stern" wirft nun unter anderem dem "Spiegel" vor, das sich das sonst sehr kritische Magazin bei der Meldung über Kerners Sender-Wechsel sowohl im positiven, als auch im negativen zurückgehalten hat, da der Spiegel als Geschäftspartner jedwede negative Publicity vermeiden möchte. Spiegel-TV wird zudem auch bei Sat 1. Kerners neue Sendung produzieren.
Alles in allem viel Wind des "Sterns" um den Wechsel eines mittelmäßig journalistisch talentierten Moderators zu einem Privatsender. Viele der aufgebrachten Fakten des "Sterns" lassen aufhorchen, bestätigen dem skeptischen Medienkonsumenten aber nur mal wieder die Abhängigkeiten zwischen Industrie, Staat, Politik und Medien. Der "Stern" agiert hierbei als großer Aufklärer und als Wächter des freien- und investigativen Journalismus - und warum? Welche Sendung moderiert nochmal Günther Jauch jeden Mittwoch Abend auf RTL ....? Achso ja!
Grüße aus dem Theaterstadel....
Stefan
Vogtisson - 23. Apr, 14:52